Einfühlungsvermögen braucht man schon ...
Ein Besuch in der Pferdemetzgerei Beerwart, Waiblingen

Der nachfolgende Beitrag entstand für den Schwäbischen Heimatbund. Es geht darum, alte, handwerkliche Berufe vorzustellen, die heute in dieser Form nur noch selten anzutreffen sind. Um den Beruf des Pferdemetzgers ranken sich bis heute mitunter Vorurteile und der Gedanke an Pferdefleisch ruft bei etlichen Pferdefreunden doch gemischte Gefühle hervor. Das Kennenlernen eines solchen Betriebes kann aber deutlich machen, daß so manches negative Klischee heute nicht mehr gelten muß.



Lange Zeit genoß Pferdefleisch beim deutschen Verbraucher nicht gerade den besten Ruf. Was in Frankreich und Italien als Spezialität gilt, die dort häufiger genossen wird, galt bei uns als typisches Essen ärmerer Bevölkerungsschichten. Spätestens aber seit der aufgekommenen Diskussion über Rinderwahn und Massentierhaltung hat sich dies geändert. "Die zurückgehende Nachfrage nach Rindfleisch macht sich bei uns schon bemerkbar", so Hans Holzapfel, Mitinhaber der Metzgerei. "Jetzt kommen doch viele neue Kunden, die vorher vermutlich kein Pferdefleisch gegessen hätten" erzählt er. Für sie hält die Pferdemetzgerei eine Angebotspalette von über 40 Produkten bereit, was die Vielseitigkeit von Pferdefleisch beweist. Dabei schmeckt das magere und eiweißreiche Fleisch nicht nur hervorragend, sondern enthält auch sehr wenig Kohlenhydrate und Cholesterin. Dennoch sind unter seiner Kundschaft Franzosen und Italiener sehr stark vertreten, die Pferdefleisch besonders schätzen.

"Die deutsche Kundschaft ist noch etwas zurückhaltender und dürfte noch häufiger zugreifen" wünscht sich Hans Holzapfel. Allerdings sitzen die Vorurteile bei vielen Verbrauchern noch tief, denn für viele ist der Gedanke an den Verzehr eines Tieres, das sich vom Arbeits- zum reinen Freizeittier gewandelt hat, doch noch sehr ungewohnt. Zudem werden viele beim Gedanken an Pferdefleisch an längst vergangene Notzeiten erinnert, die man gern vergessen möchte.

"Also Einfühlungsvermögen braucht man schon", betont er, befragt nach den besonderen Erfordernissen an den Pferdemetzger. Schließlich wollen die meisten Besitzer eines Pferdes auch auf seinem letzten Gang es in guter Behandlung wissen. Pro Woche werden am Stammsitz der Pferdemetzgerei Beerwart 8 bis 10 Tiere geschlachtet. Zumeist Sportpferde die wegen Gelenkdeformationen oder Atemwegsbeschwerden, der sogenannten Dämpfigkeit, für den Reitsport nicht verwendet werden können. So manches Tier verletzt sich auch so, daß es getötet werden muß.

Den meisten privaten Pferdebesitzern fällt es doch schwer, ihren treuen Vierbeiner dem Metzger zu überantworten und sie brauchen oft selbst einen gewissen Zuspruch. "Einige Besitzer wollen sogar babei sein und sich selbst vom schmerzlosen und schnellen Ende ihres Tieres überzeugen", erzählt der Pferdemetzger. Gerade in der schonenden Behandlung der Tiere genießt die Pferdemetzgerei Beerwart hier den besten Ruf.

Geschlachtet wird in ihrem eigenen, sei kurzem neu in Betrieb genommenen Schlachthof im Gewerbegebiet Ameisenbühl. Der seit 1946 bestehende, alte Sitz in der Waiblinger Innenstadt mußte aufgegeben werden: Zahlreiche Vorschriften der Fleischhygiene wollen beachtet und eingehalten werden, der alte Betrieb konnte den immer strengeren Anforderungen nicht mehr gerecht werden und war nicht mehr ausbaufähig. Der neue, moderne Schlachthof genügt nun auch den größten Erfordernissen und strengsten Auflagen.

Der Beruf des Pferdemetzgers nimmt im Fleischereigewerbe sicherlich eine Sonderstellung ein, denn es ist eigentlich kein erlernbarer Beruf. Ehe Hans Holzapfel die Pferdemetzgerei Beerwart mit übernahm, war auch er zunächst normaler Metzger, und kam eher zufällig "aufs Pferd". "Der Hauptunterschied zum normalen Metzger liegt im Zeitaufwand", erklärt Hans Holzapfel: Zwar stammen die meisten Pferde aus Reitställen der Umgebung, aber oft müssen die Tiere auch aus dem weiten Umland hergeholt werden, zum Teil bis 200 km, was bisweilen weite Fahrten erfordert. Zudem können nicht alle Tiere sofort getötet werden und werden vor der Schlachtung noch einige Tage im Stall des Schlachtbetriebes untergebracht. Auch hier wollen die Tiere natürlich noch gut versorgt sein.

"So fallen zahlreiche Tätigkeiten an, die nicht mehr viele Kollegen auf sich nehmen wollen", vermutet er: Die Zahl der Pferdemetzger in Baden-Württemberg ist seit dem 2. Weltkrieg stark rückläufig, es gibt nur noch eine Handvoll Betriebe. Obwohl doch die Zahl der Pferde wieder steige, haben doch etliche Betriebe geschlossen. Schließlich machen strenge Hygienerichtlinien oft hohe Investitionen notwendig die von vielen, selbst schlachtenden Metzgereien nicht mehr getragen werden können. Hinzu kommen, selbst in Gewerbegebieten, oft auch Probleme mit den Anwohnern. "Nicht jeder ist von der Einrichtung eines Schlachtbetriebes in seiner Nachbarschaft begeistert", sagt Hans Holzapfel.

Die dadurch sinkende Zahl der Schlachtbetriebe hat, obwohl in den Medien oft angeprangert, natürlich steigende Transportwege zur Folge, die den Schlachttieren zugemutet werden müssen. Inzwischen bestehen aufgrund des steigenden Angebots und der begrenzten Kapazität der Metzgerei Wartezeiten von 2 Wochen bis zur Annahme der Tiere. Die Führung eines solchen Betriebes kann meist nur noch von reinen Familienunternehmen geleistet werden.

Aus diesen Gründen ist die Pferdemetzgerei Beerwart in weitem Umkreis die einzige dieser Art. Neben den Verkaufsfilialen in Stuttgart und Waiblingen ist sie auch auf einigen Wochenmärkten im Umland präsent, um ihre Kundschaft zu beliefern. Dazu war immerhin auch die Beschaffung eines dafür geeigneten Verkaufswagen erforderlich. Um ihren Kundenkreis zu erweitern hat sie außerdem selbst eine Broschüre angefertigt, in der die Kundschaft über die Vorzüge von Pferdefleisch unterrichtet wird. "So hoffen wir, trotz steigender Nachfrage, noch mehr Kunden zu gewinnen", erläutert Hans Holzapfel. Denn eines, meint er, ist trotz steigender Nachfrage immer noch notwendig: "Beim Pferdefleisch tut Aufklärung sicher noch not"

© 1997, Axel Armbruster


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