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Geschichte des Pferdefleisches

Kulturhistorische Daten und Entwicklungen

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Frühzeit

Urzeitliche Jäger treiben Pferde über eine Felsklippe Urzeitliche Jäger treiben Pferde über eine Felsklippe
Bild zitiert aus [57]

Das älteste, jemals von Archeologen gefundene Stück Fleisch für den menschlichen Verzehr stammt von einem Pferd. Es befand sich in einem Grab aus der Hunnenzeit, wurde durch ein Bronzekessel konserviert und ist gut erhalten. Mogolische Archeologen haben ein Alter von 4-5 tausend Jahren festgestellt.

Das Pferd gehört zu den ältesten Jagttieren des Menschen. Die auf Flucht orientierten Herdentiere wurden von urzeitlichen Jägern über Felswände getrieben und konnten so leicht erlegt werden. Höhlenzeichnungen zeigen die Jagt auf Pferde mit frühzeitlichen Waffen. Die Domestikation begann bereits vor etwa 5000 Jahren, wobei auch das Hausier Pferd zunächst vor allem als Fleischlieferant genutzt wurde. Erst mit der Bonzezeit begann die Nutzung als Arbeits- und Reittier.

Die weitere Entwicklung von Landwirtschaft, Handwerk und Verkehr ist über Jahrhunderte untrennbar mit dem Pferd verbunden und wäre ohne die Partnerschaft zu diesem Tier nie bis zum heutigen Stand gelangt. Dieser Umstand trägt dem Pferd in allen Kulturen hohe Achtung und Verehrung ein.

Dem Genuß seines Fleisches steht man dabei zwiespältig gegenüber. In weiten Teilen des vorchristlichen Europa wird Pferdefleisch hoch geschätzt. Das Fleisch von Pferden soll bei den Germanen als das beste und edelste Fleisch gegolten haben. Über die planmäßige Haltung von Pferden als Fleischlieferanten wird berichtet. Dabei wird das Pferd oft auch zum Gegenstand religiöser Verehrung: Pferdeopfer, Genuß von Pferdefleisch und Stutenmilch sowie auch die Jagt auf noch vorhandene Wildpferde gehören zu den Ritualen heidnischer Stämme (Germanen, Skyten, Wikinger)

Mittelalter, vorchristliche Zeit

Eine spezielle Pferdezucht für die Landwirtschaft ist ab etwa 1400 nachgewiesen. So wurden auf dem Gebiet des Deutschen Ordens in sogenannten "Ackergestüten" kräftige Tiere mit einer Widerristhöhe von 130 bis 140 cm gezüchtet, die vor allem für die Ausweitung des Ackerbaus benötigt wurden. Daneben gab es größere "Ritterpferde" (bis 160 cm).

Arbeitspferde erreichten oft ein für die für die damalige Zeit hohes Alter von bis zu 20 Jahren, wurden aber auch nach langem Arbeitseinsatz geschlachtet und verwertet. Neben Fleisch, Fett, Fell und Haaren galten insbesondere auch die Pferdeknochen als wervoller Rohstoff. Daneben gab es rein zur Fleischgewinnung genutzte Tiere, welche in einem Alter von bis zu zweienhalb Jahren geschlachtet wurden. [58]

Zeit des Dschingis Khan

Pferde als lebender Proviant

In den Steppengebieten Mittelasiens hat sich seit jeher eine Kultur entwickelt, in der das Pferd die Grundlage der Viehzucht bildete und dem Menschen alles zum Leben Notwendige lieferte. Die robusten und wendigen Tiere konnten den Nomaden über weite Wegstrecken folgen und waren an das karge Futterangebot der Steppe optimal angepasst.

So wurden Pferde als Reit- und Lasttiere genutzt und lieferten gleichzeitig zuverlässig Fleisch, Milch und verschiedene Rohstoffe. In der Armee Dschingis Khans, die riesige Gebiete eroberte, war es üblich, Pferde als 'lebenden Proviant' zu nutzen. So kamen auf jeden Krieger etwa 18 Pferde, die der Truppe ohne großen Aufwand folgen konnten und als Fleischlieferanten dienten. [68]

Es wird berichtet, dass die damalige chinesische Armee, mit damals 1.000.000 Kriegern den Mongolen zahlenmässig 10-fach überlegen war. Dennoch war es ihr nicht möglich, die Mongolen zu besiegen, da zu viele Kräfte mit dem Transport von Verpflegung gebunden waren. Damit hat die Pferdenutzung als 'lebender Proviant' den Verlauf von Schlachten und damit der Weltgeschichte beeinflusst. [74] Symbol für neue Informationen

Die Möglichkeit, robuste und zugleich mobile Pferde als Fleischlieferanten auf langen Märschen mitzuführen, wurde in jüngerer Zeit auch für Polarexpeditionen genutzt.

Mittelalter, Christentum

In Europa wird durch das Christentum die Ablehnung gegenübe dem Pferdefleisch geprädigt. Die Hauptgründe waren allerdings nicht moralischer, sondern politischer Natur. Pferdefleischgenuss wurde als heidnisches, und damit unchristliches Ritual angesehen und zum Gegenstand kreuzzugähnlicher Kampagnen.

Menschen, denen die Aufgabe zukam, alte Pferde zu töten, wurden gleichsam von der Gesellschaft verachtet. So wurden beispielsweise die Abdecker aus den Zünften ausgeschlossen. Es kam auch vor, dass Abdecker und Henker in einer Person vereinigt waren.

Andererseits gab es immer wieder illegale Pferdeschlachtungen, die insbesondere von Hungernden unter katastrophalen hygienischen Bedingungen ausgeführt wurden. Pferdeschlachtung kam dadurch in den Ruf eines bösen, unhygienischen, von Geheimnissen umwitterten Rituals und es bildete sich ein negatives Image heraus, das dem Pferdefleisch bis heute anhaftet.

Mitte des 19. Jahrhunderts

Eröffnung der ersten Pferdemetzgerei in Paris, 1866 Eröffnung der ersten Pferdemetzgerei in Paris, 1866
Bild zitiert aus [55]

Die Pferdeschlachtung wird in einigen europäischen Ländern legalisiert. Zu den Gründen gehörten oft Engpässe in der Vesorgung der Bevölkerung sowohl in Kriegszeiten als auch unter den Bedingungen einer sich entwickelnden Industriegesellschaft mit in Städten lebender Arbeiterschaft. Die Pferdebestände in Verkehr und Landwirtschaft waren hoch und ihr Fleisch eine preiswerte Alternative für ärmere Bevölkerungsschichten. Zugleich bemühten sich Tierschützer um Absatzmöglichkeite für alte Pferde, um das „Schinden“ dieser Tiere zu verhindern.

Ende des 19. Jahrhunderts

Maßnahmen gegen Betrug

Am Schlachtkörper belassener Pferdehuf Am Schlachtkörper belassener Pferdehuf
Bild zitiert aus [61]

Betrug mit Pferdefleisch gibt es nicht erst seit 2013: Bereits mit der Legalisierung der Pferdeschlachtungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Versuchung groß, das damals preiswerte und in großen Mengen beschaffbare Roßfleisch als teures Rindfleisch zu verkaufen.

Um dem entgegen zu treten, wurden verschiedene Maßnahmen ersonnen: insbesondere die strikte Trennung des Pferdefleisches von anderen Fleischarten, von der Schlachtung über die Verarbeitung bis zum Vertrieb, wurde in Deutschland bis 1993 beibehalten.

Daneben gab es auch recht einfach anmutende, aber dennoch wirkungsvolle Verfahrensweisen. So wurden z.B. die Pferdehufe am Schlachtkörper belassen und später mit den Vierteln verkauft. So waren diese sehr einfach als Roßfleisch zu identifizieren. Zugleich wurden den Schlachtpferden nach erfogreicher Lebendbeschau spezielle Zeichen in die Hufe eingebrannt. Diese sagten später aus, daß das geschlachtete Pferd gesund und die Herkunft des Fleisches rechtmäßig war. Ein solches Vorgehen ist aus Teilen der Schweiz sowie aus Dänemark bekannt. [62]

Anfang des 20. Jahrhunderts

Zentralisierung und hygienische Kontrolle

Pferdeschlachtung mit Schlaghammer Pferdeschlachtung mit Schlaghammer
Bild zitiert aus [56]
Zeitung 'Der Roßschlachter', 1911 Zeitung 'Der Roßschlachter', 1911
Bild zitiert aus [59]

In großen Städten werden zentrale Schlachthöfe eingerichtet, um die hygienischen Bedingungen zu verbessern. Unter den sogenannten „Schlachtzwang“ fällt oft auch die Pferdeschlachtung.

Dennoch behält in Deutschland Pferdefleisch seinen Sonderstatus. Die strenge Trennung vom Fleisch anderer Tierarten bleibt bestehen. In den Schlachthöfen werden spezielle Schlachthallen für Pferde eingerichtet. Auch spezielle Pferdeschlachthöfe entstehen, so z.B. in Paris.

Die eigentliche Technik des Schlachtens entspricht weitgehend der Rinderschlachtung und wird jeweils neuen Gegebenheiten angepasst (z.B. Anwendung des Bolzenschußapperates, moderne Transport- und Zerlegetechnik). Allerdings beiben in Deuschland Pferdemetzgereien meist kleinere, handwerklich arbeitende Betriebe. In anderen Ländern (z.B. Italien, Niederlande, ...) werden Pferde auch industriell am Fließband geschlachtet und verarbeitet.

In Deutschland hatten Schlachtpferde in der Regel keine langen Transportwege, fast in jedem größerem Ort gab es Roßschlächter-Betriebe. Obwohl Pferdefleisch nicht als Delikatesse galt, war es insbesondere bei den ärmeren Leuten sehr beliebt und der Beruf des Pferdemetzgers war ein einträgliches Handwerk.

Seit 1906 gab es den 'Verband Deutscher Roßschlachter' mit einer eigenen Zeitung, welche zweimal monatlich erschien. In diesem Verband waren Pferdemetzger aus ganz Deutschland zusammengeschlossen, um gemeinsam für ihre interessen einzutreten und den Pferdefleischkonsum zu fördern. Dabei gab es auch eine enge Zusammenarbeit mit verschiedenen Pferdeschutzvereinigungen (siehe Fotokopie aus [59]). Da Pferde noch in großem Umfang als Arbeitstiere genutzt wurden, standen auch entsprechend viele Schlachttiere zur Verfügung. So wurden beispielsweise im Jahre 1910 im damaligen Deutschen Reich 148.731 Pferde geschlachtet. [60]

Heute

Heute wird Pferdefleisch unter den gleichen oder sogar besseren hygienischen Voraussetzungen produziert, wie andere Fleischarten. Im Gegensatz zu früheren Zeiten gibt es in verschiedenen Ländern eine gezielte Haltung von Pferden für die Fleischerzeugung. Dies zeigt, dass das Produkt Pferdefleisch aufgrund seiner hohen Qualität auch bei stark reduzierten Beständen an Arbeitspferden weiter nachgefragt wird.

Der moralische Zwiespalt zwischen Freund und Fleischlieferant bleibt jedoch. Mit dem steigenden Wohlstand werden Pferde weniger als Wirtschaftstiere, sondern als Freizeitpartner und Familienmitglieder angesehen. Dazu kommen noch die inzwischen unbegründeten Resentiments aus der Vergangenheit, so dass Pferdefleisch sicher auch in Zukunft nicht jedermanns Sache sein wird.

Chancen für die Zukunft

Es gehört zu den Herausforderungen unserer Zeit, ökonomisch sinnvolle Alternativen zu Massenproduktion und Umweltzerstörung zu schaffen. Die Möglichkeiten der Pferdenutzung sollten dabei nicht als Relikt der Vergangenheit, sondern vielmehr als Chance für die Zukunft angesehen werden. Dabei könnte auch dem Pferdefleisch als gesundem und alternativem Nahrungsmittel wieder eine größere Bedeutung zukommen.

Hierfür gibt es verschiedene Beispiele: So wird durch die Fleischproduktion die Erhaltung und auch züchterische Weiterentwicklung schwerer Arbeitspferde ökonomisch abgesichert (Frankreich, Spanien, Russland). Pferde verursachen einen weit geringeren CO2-Ausstoss als ein vergleichbarer Rinderbestand und können so auch zu einem verantwortungsbewussteren Umgang mit der Umwelt beitragen.

Gerade die sorgfältige Nutzung aller Rohstoffe, die uns das Pferd liefert, ist zugleich Ausdruck der Achtung vor diesem Tier. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Gesellschaft wieder darauf besinnt, Tiere nicht einfach nur auszunutzen, sondern mit ihnen eine Partnerschaft beim gemeinsamen Überleben einzugehen.

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Quellenangaben    letzte Aktualisierung: 11.11.2015 © 1997, 2006, 2016 Jan Schwanke

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